Verlorene Form

Jede Figur ist auf seine Weise speziell, und dafür sind 14 Arbeitsschritte nötig.

Formen
Ein Künstler stellt ein Originalkunstwerk aus Wachs, Lehm oder einem anderen Material her. Wachs und Lehm auf Ölbasis werden oft bevorzugt, da diese Materialen ihre Geschmeidigkeit behalten. Bosse selbst fertigte seine Modelle in Messing an.
Herstellung der Form
Von dem Original wird eine Form (Negativform) hergestellt. Die meisten Formen bestehen aus mindestens zwei Teilen, an deren Trennlinie Metallteile eingearbeitet werde, um ein genaues Zusammenpassen der beiden Hälften zu gewährleisten.

Die Formen kleinerer Skulpturen sind meist aus Gips gefertigt, können aber auch aus Fiberglass oder anderen Materialien bestehen. Um die feinen Details des Originals zu erhalten, gibt es meist eine innere Form aus Latex, Vinyl oder Silicon, welche durch den Gips versteift wird.

Normalerweise wird das Original durch die Herstellung und Zerschlagung der Gipsgussform zerstört, wenn das Original aus Wachs ist. Dieser Prozess wird dadurch bedingt, dass die Originalformen massiv sind und sich bei der Entfernung der Gipsform nicht biegen lassen.

Oft werden lange, dünne Teile vom Original abgeschnitten und separat abgeformt. Bei größeren Skulpturen werden oft mehrere Formen benötigt. Wird nur ein Abguss gemacht und die Skulptur wurde aus Wachs oder einem anderen leicht schmelzbaren Material hergestellt, kann der Schritt des Formenbaus übersprungen werden.

Wachs
In die fertige Gips-, Latex- oder Gummiform wird mit Hilfe einer Düse flüssiges Wachs eingefüllt.
Entfernung des Wachses
Diese Wachskopie des Kunstwerkes wird nun aus der Form entfernt. Der Künstler kann die Form für weitere Wachs­kopien benutzen. Normalerweise überstehen die Gummiformen mehrere Jahre.
Ziselieren
Jede Wachskopie wird nun ziseliert: ein heißes Metall­werkzeug wird benutzt, um den Grat zu entfernen, der sich dort, wo die beiden Hälften der Form aneinander stoßen, gebildet hat. Das Wachs wird geschliffen, um jegliche Fehlerstellen zu entfernen. Nun sieht das Wachsmodell wie die fertige Bronze aus.
Angießen
Mit den Wachskopien werden baumähnliche Strukturen gebildet, versehen mit Kanälen, welche den Messingfluss erleichtern und beim Giessen Luft entweichen lassen.
Einschließen/Einbetten
Die vorsichtig aufgebauten Wachsbäume sind von einem Stahlzylinder umgeben. Dieser wird nun mit hitze­be­stän­diger Einbettmasse  (eine Art feuerfester Gips), vermischt mit Wasser, aufgefüllt. Nach einer Stunde ist die Einbettmasse bereit für den Ausbrennprozess.
Ausbrennen
Der Brennofen wird auf eine Temperatur von 725 Grad Celsius aufgeheizt. Das Wachs schmilzt und läuft aus. Das geschmolzene Wachs kann aufgefangen und wieder verwendet werden, oft wird es aber einfach ausgebrannt. Alles was nun im Inneren der gehärteten Form übrig bleibt, ist die Negativform des Originals, zuvor vom Wachs ausgefüllt.
Schmelzen
Die Temperatur der Stahlbehälter wird auf etwa 600 Grad Celsius reduziert. Die benötigte Menge Messing wird mittels Elektrizität in einem Tiegel geschmolzen.
Gießen
Die Gießtemperatur des flüssigen Messings hat ca. 1000 Grad Celsius erreicht und wird unter Vakuum in die Formen gefüllt.
Auslösen
Die den Gussbaum umgebende Einbettmasse wird ausgeschlagen oder sandgestrahlt und hinterlässt den Rohguss. Die Angüss, nun auch in Messing gegossen, werden abgeschnitten, um für einen späteren Guss wieder verwendet zu werden.
Metall-Ziselierung
Ebenso wie die Wachskopien, werden die Bronzen bearbeitet bis die verräterischen Spuren des Gusses entfernt sind und die Skulpturen so wie das Original aussehen. Vertiefungen, die durch
Luftblasen entstanden sind, werden mit geschmolzenem Messing aufgefüllt und die Anschlusspunkte des Eingusses werden abgefeilt und poliert. Die Modelle werden mit Bosse/Austria gemarkt.
Patinieren
Nach den Wünschen des Künstlers wird die Bronze durch Aufbringen von Chemikalien auf das heiße oder abgekühlte Metall, in seiner Farbe verändert. Der Einsatz von Hitze ist die am besten kalku­lierbare Methode und erlaubt dem Künstler Kontrolle über den Prozess. Diese Kolorierung wird Patina genannt.
Polieren
Nach dem Aufbringen der schwarzen Patina werden einige Stellen hochglanzpoliert und erhalten so den typischen vor langer Zeit von Bosse kreierten Charme.

Nach Michael Bieregger, April 2006